Age Report V – Wohnen und Nachbarschaft im Alter
Datum: 14.11.2024
Thema: News, Wohnen im Alter & Mobilität
Der Age Report V wird durch unser Mitglied Age-Stiftung ermöglicht, unterstützt von der Fondation Leenaards
Am 7. November 2024 fand im Casino Bern die Vernissage des fünften Age Reports mit Schwerpunkt «Nachbarschaft» statt. Er liefert spannende Einsichten zur Wohn- und Lebenssituation älterer Menschen, basierend auf einer repräsentativen, schweizweiten Befragung. Es zeigt sich, dass die Wohn- und Lebenszufriedenheit von Personen mit ausreichend finanziellen Ressourcen und als gut empfundener Gesundheit hoch ist. Ältere alleinlebende Frauen und Menschen mit geringem Bildungsstand sind jedoch durch Altersarmut gefährdet und neben hochaltrigen Menschen besonders auf gute Nachbarschaftsbeziehungen angewiesen.
15% mit finanziellen Schwierigkeiten – und dadurch erhöhtem Risiko für soziale Isolation
Wie die Befragung zeigt, werden Menschen in der Schweiz nicht nur immer älter, sie fühlen sich auch länger gesund. Damit verlängert sich die Dauer des Rentenalters respektive die Zeit, die persönlich gestaltet werden kann. Viele ältere Menschen leben heute einen sehr aktiven Alltag und pflegen individuellere Lebensentwürfe als frühere Generationen. Die «gewonnenen Lebensjahre» beeinflussen auch die Wohnsituation: Ältere Menschen wohnen länger selbstständig in den eigenen vier Wänden –auch dank ambulanter Unterstützung. Es zeigt sich zudem ein Trend hin zu vielfältigen Zwischenformen des Wohnens im Alter (z.B. betreutes Wohnen), bevor der Eintritt ins Heim erfolgt. Ältere Menschen mit geringerem Bildungsstatus, alleinstehende Frauen und Hochaltrige (ab 85 Jahren) kämpfen jedoch oftmals mit finanziellen Einschränkungen, die das Sozialleben negativ beeinflussen und das Risiko für soziale Isolation erhöhen.
Soziale Ungleichheit zeigt sich auch in der Wohnzufriedenheit
Menschen über 65 sind mit ihrer Wohnsituation im Allgemeinen sehr zufrieden. Die Ergebnisse der Befragung verdeutlichen jedoch eine soziale Ungleichheit: «Vermögende Personen, die sich eine hohe Wohnqualität leisten können, sind zufriedener mit ihrem Wohnraum als Gleichaltrige mit weniger Vermögen», sagt Valérie Hugentobler, Mitherausgebende des Reports. Ältere Menschen sind sehr orts- und wohnverbunden und möchten so lange wie möglich in ihrem Quartier und ihren eigenen vier Wänden leben. Gute Nachbarschaftskontakte sind den älteren Menschen dabei eine wichtige Ressource und wichtiger als eine barrierefreie Wohnumgebung. Lediglich 34% der Befragten gaben an, dass ihr eigener Wohnraum barrierefrei sei. Da sich nur Personen mit ausreichend finanziellen Mitteln entsprechende bauliche Anpassungen leisten können, nehmen viele die bestehenden
Hindernisse in Kauf, wenn sie dafür am vertrauten Wohnort bleiben können.
Anteil an Einpersonenhaushalten hat sich bei Männern mehr als verdoppelt
Der Trend geht weiterhin in Richtung Einpersonenhaushalte – und dies nicht mehr nur bei Frauen: Der Anteil an alleinwohnenden älteren Männern hat sich in der deutschsprachigen Schweiz in den letzten 20 Jahren von 16 auf 37% erhöht. Zudem gewinnen Alterswohnungen und andere Wohnformen zwischen zu Hause und Heim weiterhin an Bedeutung; auch über 85-Jährige leben heute öfter zu Hause oder in neuen Wohnformen (z.B. Alterswohnungen). Entsprechend erhöhte sich das Eintrittsalter in Alters- und Pflegeheime und sank die dortige Aufenthaltsdauer.
Ein Drittel der Befragten wünschen sich mehr Kontakt zu ihren Nachbarn
Die meisten älteren Menschen pflegen enge Kontakte zu ihrer Nachbarschaft. Die Nachbarinnen und Nachbarn sind vor allem als soziale Stütze wichtig und fördern das Wohlbefinden. Bei Personen über 80 Jahren helfen Nachbarinnen und Nachbarn auch bei der Bewältigung des Alltags. 56% der über 85-Jährigen gaben an, auf die Nachbarschaft angewiesen zu sein – darunter vor allem alleinstehende Frauen mit gesundheitlichen Einschränkungen. «85% der Befragten empfangen und leisten auch selbst Nachbarschaftshilfe. Allerdings wünscht sich fast ein Drittel der über 85-Jährigen mehr Kontakt zu Nachbarinnen und Nachbarn», sagt Alexander Seifert, Mitherausgebender des Age Reports.
Gemäss Fleur Jaccard, Geschäftsführerin der Age-Stiftung, liegt die Lösung in der räumlichen Gestaltung und der gezielten Förderung sozialer Beziehungen: «Um soziale Isolation und Einsamkeit zu vermindern, braucht es eine klug gebaute Umgebung mit Begegnungsmöglichkeiten (Treffs, Kaffees, Flohmärkte) und aufsuchender Arbeit zur Begleitung.»
Soziale Einbindung ist besonders wichtig für die Zufriedenheit mit der Wohnumgebung
Ältere Menschen sind insgesamt sehr zufrieden mit ihrer Wohnumgebung und fühlen sich ihr sehr verbunden, trotz teilweiser fehlender Infrastruktur in ländlichen Gebieten. Ob in der Stadt oder auf dem Land, Menschen wollen auch im höheren Alter in ihrem Quartier wohnen bleiben. Die Qualität der Nachbarschaftskontakte beeinflusst die Zufriedenheit dabei besonders. Auch zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Wohnumgebung und der sozialen Einbindung. «Schlechte Wohnumgebungen führen tendenziell zu einem Rückzug in die private Wohnung, was bei den älteren Menschen das Risiko sozialer Isolation erhöht», so Valérie Hugentobler.
Potenzial von smarten Technologien zu Hause ist noch lange nicht ausgeschöpft
Die Internetnutzung von älteren Menschen ist in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen. 2013 verfügten erst 51% der älteren deutschschweizerischen Bevölkerung über einen Internetanschluss, 2023 sind es 75%. Das Telefon ist aber nach wie vor eines der Hauptkommunikationsmittel, und der Fernseher bleibt die wichtigste Informationsquelle für Tagesaktualitäten – unabhängig von Alter und sozialer Schicht. Mobile Geräte (z.B. Smartphones, Tablets) werden eher von Personen mit hohem Bildungsgrad verwendet. «Die potenzielle Unterstützung, die Notfallsysteme und Smart-Home-Technologien älteren Menschen in ihrem Zuhause bieten würden, ist noch lange nicht ausgeschöpft», wie Alexander Seifert feststellt.
Kontakt:
Fleur Jaccard, Geschäftsführerin Age-Stiftung
fleur.jaccard@age-stiftung.ch | Tel. 044 455 70 62
age-report-v