Auf der Suche nach der verlorenen Landschaft – Die nostalgische Erinnerung der Menschen, die den radikalen Wandel erlebt haben
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Revision und Entleerung des Verzasca-Stausees im 2022
Bei den älteren Bewohnern von Verzasca ist die Nostalgie gross, denn sie haben miterlebt, wie der beeindruckende Staudamm, der Anfang der sechzig Jahren gebaut und im Herbst 1966 offiziell eingeweiht wurde, aus dem Nichts entstand.
Am Ende setzten sich das öffentliche Interesse und der Fortschritt durch und überwanden alle Skepsis und Widerstände sowie einen Rechtsstreit, der bis zum Bundesgericht ging, aber die endgültige Entscheidung für den Bau hinterliess bei vielen einen bitteren Beigeschmack, und sie bedauern diese turbulenten Zeiten noch immer.
Was vom grünen Wasser des Flusses überflutet wurde, um den Verzasca-Stausee zu schaffen, ist heute Vergangenheit: Die Ruinen der Häuser, die damals gesprengt wurden, um einem Schutthaufen Platz zu machen, die Trasse der alten Kantonsstrasse mit ihrer Brücke, die unverändert erhalten geblieben ist, die Spuren der Terrassen, auf denen vorher Reben angebaut wurden. Ein paar spärliche Bäume mit skelettartigen Stämmen und Ästen stehen noch an den kahlen Wänden des nun entleerten Sees. Was bei der Revision und bei der Entleerung des Stausees wieder ans Tageslicht gekommen ist, zeugt von harter Arbeit, um die steilen Hänge des Tals zu nutzen und Wohnhäuser, ein Postamt, eine Tankstelle mit Laden, einige Gasthäuser und sogar eine Schreinerei zu errichten. Im Quartier Pioda, einem Ortsteil von Vogorno, lebten etwa 30 Menschen, die gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen und anderswo eine neue Unterkunft zu finden. An den steilen Hängen dieses engen V-förmigen Tals wurden die Reben auf mühsam aus dem Nichts geschaffenen Terrassen angebaut, und die Spuren der Vergangenheit sind noch deutlich zu erkennen, da sie durch die Entwässerung freigelegt wurden.
Der Verzasca-Staudamm ist heute, nicht nur wenn er gefüllt ist, eine Attraktion wegen der Schönheit seines Sees. Vorübergehend ist sein klares Wasser entleert worden, was eine gespenstische Landschaft entstehen lässt. Er zieht damit viele Neugierige an, die sich auf den Weg ins Tal machen, um die ungewöhnliche Landschaft zu betrachten, und sogar auf den Grund hinabsteigen, um auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit dort zu wandern. Einige waghalsige “Entdecker” mussten sogar die Hilfe von Rettungskräften in Anspruch nehmen, weil sie nicht mehr aufsteigen konnten, wie der 64-jährige Tourist, der mit einer vom REGA-Helikopter herabgelassenen Seilwinde gerettet werden musste, weil er sich auf dem schlammigen Seegrund ‘festgefahren’ hatte. Es lohnt sich aber auch, das “Spektakel” vom Rand des Staudamms oder vom Dorf Vogorno aus zu bewundern, wie es die Polizei empfiehlt, die schon mehrmals zu Einsätzen gerufen wurde. Diejenigen, die dieses Jahr nicht dabei sein können, aber trotzdem das Spektakel vor Ort sehen möchten, sehen dies vielleicht in etwa vierzig Jahren, wenn die nächste Revision des Stausees durchgeführt wird…
Marco Lafranchi, Vorstand VASOS FARES