Autsch, das Älterwerden schmerzt! Was tun?
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Der Waliser Verband der Rentner:innen im Waliser Bote – Juni 2025
So sehr man sich auch bemüht oder es schönredet – den kleinen (oder auch grösseren) Unannehmlichkeiten des Alters entkommt man nicht. Wie lässt es sich also am besten damit umzugehen? Erfahrungsberichte und einige Ansätze, die helfen, die neuen Lebensumstände zu begreifen.
Ein schwierigerer Start in den Tag
Man braucht mehr Zeit und Dehnübungen, um morgens in Gang zu kommen. Man geht langsamer, ist schneller erschöpft. Die Augen brennen vor Trockenheit. Wörter entfallen einem, das Gedächtnis schwächelt. Kurz: Niemand – oder fast niemand – entkommt der Zeit, die vergeht und Körper wie Seele mal mehr, mal weniger zusetzt.
Der Versuch, sich nicht zu isolieren
Für Marithé ist es das Gehör, das sie ständig an ihr Alter erinnert. Mit 75 Jahren hat diese dynamische und engagierte Frau festgestellt, dass ihre sozialen Kontakte stark zurückgegangen sind. «Es ist so nervig, meine Freundinnen immer wieder bitten zu müssen, das Gesagte zu wiederholen. Und dieses dumpfe Hintergrundrauschen in Cafés oder Geschäften macht mich fertig. Also isoliere ich mich. Ich bleibe zu Hause».
Obwohl sie seit Monaten Hörgeräte trägt, fällt ihr die Umstellung schwer. «Die Stimmen klingen metallisch, das Einstellen der Geräte ist sehr schwierig. Im Laufe des Tages bin ich erschöpft vom Versuch, Gesprächen zu folgen. Kino, Theater oder Konzerte – ausgeschlossen. So sitzt sie oft allein vor dem Fernseher – Lautstärke auf Maximum. Dann raffe ich mich auf, gehe spazieren, genieße die Natur und die Sonne. Ich treffe mich in kleinen Gruppen mit Freunden – höchstens zu dritt oder viert. Und ich sage mir: Es gibt noch viele schöne Dinge im Leben».
Kleine Glücksmomente als Auftrieb
Ein verpasster Termin. Eine offenstehende Tür über Nacht. Schlüssel, die unauffindbar sind. Ein Braten, der im Ofen vergessen wird, bis der Geruch von Angebranntem das Gedächtnis wieder weckt… Gedächtnis – ein Wort, das beim Älterwerden Angst auslöst. Wenn wir auch bereit sind, auf vieles zu verzichten – den Gedächtnisverlust zu akzeptieren, ist für viele unvorstellbar. «Lieber taub, schlecht sehend und mit Rollator, als den Verstand zu verlieren», sagt Fabienne. Doch genau das passiert François. Zunächst in völliger Verleugnung, sucht er schließlich Hilfe. Ein erster Arzt bestätigt die Sorgen seines Umfelds, danach ein Psychiater. „Meine Sitzungen beim Psychologen helfen mir enorm. Er bringt mir bei, Rituale zu entwickeln, um Automatismen zu verankern, die mich beruhigen. Er ermutigt mich, mit meiner Familie zu sprechen, zu schreiben, um Spuren zu hinterlassen. Beim Verfassen dieser ‘Erinnerungen’ wird mir bewusst, dass ich großes Glück hatte, schöne Momente zu erleben – und dass man jeden Tag kleine Dinge finden kann, die den Alltag erhellen. Seitdem bereite ich mich ruhiger auf den Abschied vor.“
Was viele der gesammelten Berichte gemeinsam haben:
Wenn man erst einmal sein Alter und die damit einhergehenden Veränderungen akzeptiert, kann man zwar die Zeit nicht aufhalten – aber besser altern.
3 FRAGEN AN Frau ELSBETH KALBERMATTE
Psychotherapeutin und Gerontopsychologin, pensioniert
29 Jahre tätig in der Alterspsychiatrie des Psychiatriezentrums Oberwallis (PZO).
Was kann man gegen die anhaltende Niedergeschlagenheit mancher Senior*innen tun, die durch den körperlichen oder psychischen Abbau entsteht? Gibt es «Rezepte» dagegen?
Ein Zustand von Niedergeschlagenheit oder Depression, der länger als zwei bis drei Wochen anhält, darf nicht als normales Alterszeichen abgetan werden – es ist eine Depression. Diese ist bei älteren Menschen häufiger, als man denkt. In solchen Fällen rate ich dringend, Hilfe zu suchen – am besten im Gespräch mit der Familie, Kindern oder Freunden. Man kann sich auch direkt an den Hausarzt wenden. Diese erkennen depressive Symptome und sind wichtige Ansprechpersonen, da körperliche Beschwerden oft seelisches Leid verdecken.
Wichtig: Depression ist heilbar – in jedem Alter.
Wie kann man ältere Menschen unterstützen, die mit dem Altern hadern?
Es ist nicht leicht, in einer Gesellschaft alt zu werden, die Jugend idealisiert und Alter tabuisiert. Viktor Frankl – Philosoph, Therapeut und Psychiater – sah den Sinn des Lebens darin, für sich selbst und andere bedeutsam zu sein. Diese Sinnsuche ist im Alter besonders wichtig. Ältere Menschen leisten nach wie vor wertvolle Beiträge: als Partner, als Eltern, Großeltern, Nachbarn, Freiwillige. Auch wenn sie daran zweifeln – sie sind Träger von Werten und Brücken zur Vergangenheit.
Was stärkt die psychische Gesundheit im Alter?
Ganz wesentlich ist das Gefühl, das eigene Leben noch mitgestalten zu können. Die Überzeugung, Kontrolle zu behalten, hilft gegen psychische Belastungen. Deshalb ist es wichtig, aktiv zu bleiben – körperlich und sozial: Spaziergänge, Neues lernen, Gespräche mit Freunden oder Nachbarn, Telefonate, kulturelle oder gemeinschaftliche Aktivitäten.
Wenn Hilfe nötig wird, wünschen sich ältere Menschen ein respektvolles, verständnisvolles Umfeld. Begleitpersonen und Pflegekräfte sollten wissen: Hilfe anzunehmen, ist oft die schwerste Aufgabe im Leben. Wer das erkennt, respektiert ihre Wünsche und bietet Wahlmöglichkeiten an. Denn: Helfen ist einfacher, als Hilfe anzunehmen.
France Massy