Betagte Menschen im Kampf gegen häusliche Gewalt nicht vergessen
Ausgabe: 05-2021 Datum: 27.05.2021
Thema: Gesundheit, Sozialpolitik
Gastbeitrag von Prof. Dr. Delphine Roulet Schwab und Ruth Mettler Ernst
Alter ohne Gewalt, die nationale Anlaufstelle für von Gewalt/Misshandlung betroffene ältere Menschen freut sich über den Schulterschluss von Bund, Kantone und Organisationen der Zivilgesellschaft, welche ihre Kräfte zur Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt zum Wohl von Frauen, Männern und Kindern bündeln wollen. Leider wird dabei mit keinem Wort die grösser werdende und verletzliche Gruppe der betagten, alten Frauen und Männer erwähnt.
Den betagten, alten Menschen muss in der Verhinderung von häuslicher Gewalt und Gewalt im sozialen Nahraum ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Es sind demzufolge Massnahmen auf die Bedürfnisse von Frauen, Männern, Kinder und betagte, alte Menschen auszurichten.
Misshandlungen gegen ältere Menschen sind eine Realität in der Schweiz. Mehr als 300’000 Personen sind in unserem Land davon betroffen. Es kann von einem grossen Dunkelfeld ausgegangen werden. Gewaltsituationen an älteren Menschen finden hauptsächlich im Privatbereich statt. Sie kommen oft in Beziehungen ungleichmässiger Machtverhältnisse vor und deshalb greift die starre Definition von Häuslicher Gewalt zu kurz. Im Altersbereich muss sie im sozialen Nahraum verstanden werden. Nicht immer liegt bei Gewalt im Alter ein Straftatbestand vor. Die Gewaltformen reichen von physischer (Würgen, Schlagen), psychologischer (Demütigungen, verbale Attacken) über finanzieller (Erbschleicherei) und sexualisierter Gewalt (Belastung durch Pornografie) bis hin zu Vernachlässigung (unangemessene Nahrung, fehlende Verabreichung von notwendigen Medikamenten).
Interdisziplinäre, anspruchsvolle Intervention bei Misshandlung im Alter
Risikofaktoren für das Erleiden von Gewalt im sozialen Nahraum sind eingeschränkte kognitive Fähigkeiten, körperliche Beeinträchtigungen, eingeschränkte Mobilität, Abhängigkeit, soziale Isolation, soziale und kulturelle Normen (Altersdiskriminierung) und das Zusammenleben mit der betreuenden und pflegenden Person. Aufgrund dieser Faktoren ist die Intervention in Situationen von häuslicher Gewalt im Alter, von Gewalt im sozialen Nahraum, anspruchsvoll, verlangt geriatrisches Fachwissen und ein umsichtiges Vorgehen, um den Zugang zu den Betroffenen und Beteiligten zu finden. Meistens ist bei Interventionen das Zusammenwirken verschiedener Akteure notwendig. Die Verhinderung und Intervention bei Gewalt an betagten, alten Menschen ist speziell zu handhaben und deshalb auch gesondert zu erwähnen.
Der Bericht des Bundesrates zur Verhinderung von Gewalt im Alter von September letzten Jahres kam zum Schluss, dass es zur Bekämpfung von Missbrauch im Alter eine Reihe von Präventions-, Erkennungs- und Interventionsmassnahmen, die sich sowohl an die Opfer als auch an deren Angehörige, an Fachpersonen und die breite Öffentlichkeit richten, braucht. Auch hierbei sind die Kantone aufgefordert mitzuwirken. Weshalb im jetzt getätigten Schulterschluss die Gewalt im Alter kein Thema ist, bleibt offen. Zu hoffen ist, dass die Altershilfeorganisationen und die nationale Anlaufstelle «Alter ohne Gewalt» von alter ego, für die Westschweiz, Pro Senectute Ticino e Moesano und der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter UBA, für die Deutschschweiz bei der Weiterbearbeitung des Themas einbezogen werden. «Alter ohne Gewalt», Telefon 0848 00 13 13, ist die erste nationale Anlaufstelle für von Gewalt/Misshandlung betroffene ältere Menschen Sie wurde im Jahr 2019 ins Leben gerufen.
Alter ohne Gewalt
Prof. Dr. Delphine Roulet Schwab Ruth Mettler Ernst
Präsidentin Alter ohne Gewalt Geschäftsleiterin Alter ohne Gewalt
Präsidentin gerontologie.ch Geschäftsleiterin UBA
Alter ohne Gewalt ist die vertiefte Zusammenarbeit der drei Organisationen alter ego, Westschweiz, Pro Senectute Ticino e Moesano und Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter UBA. Am 2. April 2019 lancierte Alter ohne Gewalt die erste nationale Anlaufstelle für von Misshandlung betroffene ältere Menschen. Unter Telefon 0848 00 13 13 und per E-Mail info@alterwohnegewalt.ch nimmt Alter ohne Gewalt Fälle von Gewalt im Alter entgegen. Pro Jahr sind es rund 300.
Weitere Informationen: http://www.alterohnegewalt.ch