BVG-Reform
Ausgabe: 09-2022 Datum: 31.10.2022
Thema: Sozialpolitik
Leere Versprechungen an die Frauen
Die 2. Säule, die berufliche Vorsorge, BVG muss reformiert werden. Die Frauen sind nicht nur in der 1. Säule, der AHV, sondern auch in der 2. Säule schlechter gestellt. Stellt die 3. Säule eine Lösung dar?
Zur Erinnerung: Die 2. Säule bildet die obligatorische berufliche Vorsorge (BVG). Mit der 2. Säule soll der Erhalt des Lebensstandards von Erwerbstätigen und ihren Angehörigen gesichert werden, da die demografische und wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz dazu geführt hat, dass heute mit einer AHV-Rente lediglich die minimalen Lebenskosten gedeckt werden können. Das BVG hat die Aufgabe, die Leistungen der AHV/IV im Alter, bei Invalidität sowie im Todesfall zu ergänzen.
Kurz vor der Abstimmung vom 25. September 2022 zur AHV-21 Vorlage sistierte die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) den Reformvorschlag des BVG. Das heisst, dass die Frauen in absehbarer Zeit nicht mit besseren Renten im BVG rechnen können. Die Kommission begründete ihren Entscheid damit, dass sie sich nicht einig war, wie die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6% kompensiert werden soll und sie sich Zeit nehmen wolle, um die Kompensationsmassnahmen für Übergangsgenerationen sorgfältig auszutarieren.
Mit einem NEIN zur AHV-21 hätte der politische Druck für eine Verbesserung der heute schlechten Rentensituation erreicht werden können. Leider wurde die Vorlage AHV-21 vom Volk angenommen.
Der Bundesrat veröffentlichte kürzlich einen Bericht, der in aller Deutlichkeit bestätigt, dass eine Rentenlücke besteht. Die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern bleibt mit 35% riesig. Eine Ungerechtigkeit, die mit der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) aus dem Weg geräumt oder zumindest gemildert werden sollte. Gerade Frauen, die oft Teilzeit arbeiten, sind strukturell benachteiligt. Die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen, sollte mit Verbesserungen im BVG ausgeglichen werden. Aber leider, alles leere Versprechungen.
Wichtig ist zu wissen, dass alle im Parlament bisher diskutieren Vorschläge in der 2. Säule weit hinter der Kompromisslösung des Arbeitgeberverbands und den Gewerkschaften zurückbleibt. Die Kompromisslösung sah vor, dass die Frauenrenten rasch verbessert werden und dies mit Kosten, die auch für Versicherte mit tiefen Einkommen tragbar gewesen wären. Das Parlament hat diesen Lösungsvorschlag, der vom Bundesrat übernommen wurde, zurückgewiesen. Damit zeichnete sich ein Scheitern der Reform bereits ab.
Das mit diesem Stillstand verbundene sinkende Vertrauen in den Reformwillen in Politik und Branche, schadet nicht nur der 2. Säule, sondern riskiert auch den Erfolg der anstehenden Reform der 1. Säule (AHV). Ständerat Paul Rechsteiner (SP) bringt es auf den Punkt: Die bürgerliche Rentenpolitik ist ein Fiasko. Sie bringt in der AHV und im BVG nur Verschlechterungen.
Die immer reicher werdende Schweiz kann und muss sich eine gute und solide Altersvorsorge leisten. Das ist nicht nur der Verfassungsauftrag in Sachen Altersvorsorgen. Ein würdiges Leben im Alter ist auch eine Frage des Respekts für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass man die Einkommenslücke aus der 1. und 2. Säule mit einer freiwilligen Einzahlung in die gebundene Vorsorge 3a und 3b (dritte Säule) weitgehend schliessen kann. Das ist gut und recht. Aber Fakt ist, dass von den Selbstständigen nur 9% und von den Arbeitnehmenden nur ca. 17% in die 3. Säule einzahlen – einzahlen können. Das Potenzial bleibt also unausgeschöpft. Gerade Kleinverdiener und vor allem Frauen, die einem Teilzeitpensum arbeiten, können sich eine Einzahlung in die 3. Säule gar nicht leisten. Das heisst, die 3. Säule ist eine Lösung für Gutverdienende und führt zu einer weiteren Diskriminierung gerade von Frauen mit tiefen Einkommen.
Verena Loembe, Vorstand VASOS