«Dafür bist du doch zu alt»
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Negative Altersbilder und Diskriminierung
Altersdiskriminierung – auch Ageism genannt – ist eine Form der sozialen, aber auch ökonomischen Benachteiligung, die Menschen allein aufgrund ihres Alters erfahren.
Sie zeigt sich in vielen Lebensbereichen, etwa im Berufsleben, im Gesundheitswesen, in den Medien oder in unserem Alltag. Dabei ist Altersdiskriminierung keine individuelle Haltung einzelner Menschen, sondern tief in unserer Gesellschaft verankert. Sie begegnet uns alltäglich und geschieht oft unbewusst. Zumeist wird hierunter die Diskriminierung von Menschen im Alter verstanden, aber diese Form der Diskriminierung kann sich auch auf junge Menschen beziehen. Die Ursachen von Altersdiskriminierung liegen in einer Mischung aus gesellschaftlichen Vorurteilen und Altersstereotypen, kulturellen Normen, Angst vor dem Älterwerden (wenn es um Ageism bzgl. älterer Menschen geht) sowie strukturellen Ausschlüssen.
In unserer Gesellschaft existieren zahlreiche stereotype Vorstellungen über das Alter. Ältere Menschen werden oft als unflexibel, gebrechlich, langsam oder nicht mehr lernfähig dargestellt. Demgegenüber wird Jugendlichen oder jüngeren Erwachsenen häufig Verantwortungslosigkeit, Oberflächlichkeit oder mangelnde Lebenserfahrung unterstellt. Diese altersbezogenen Vorurteile sind in der Regel verallgemeinernd und werden den Altersgruppen pauschal als Wahrnehmungsraster übergestülpt.
Diese Diskriminierungen werden – wie alle kulturellen Normen und Werte – stark durch die Medien geprägt. In den Medien wird die Lebensphase Alter vor allem negativ dargestellt. Unsere Gesellschaft fokussiert sich auf Jugend, Schnelligkeit und Leistung – das Alter(n) wird hingegen häufig mit Rückzug, Leistungseinbussen und Passivität assoziiert. Somit erscheint die Lebensphase Alter in unserer Gesellschaft vornehmlich als defizitär. Wer nicht mehr aktiv genug oder nicht mehr produktiv ist (auch im Sinne von im Erwerbsleben stehend), wird schnell sozial exkludiert und als gesellschaftliche Belastung gesehen. Die medialen Bilder unseres Alltags tragen dann zur Verfestigung diskriminierenden Altersbilder bei und prägen die kulturelle Norm unserer Gesellschaft im Umgang und in der Wahrnehmung von Alter(n).
Altersdiskriminierung und die Angst vor dem Alter(n) hängen eng zusammen. Die negativen Altersstereotypen unserer Gesellschaft führen dazu, dass Menschen das Älterwerden fürchten – nicht nur wegen körperlicher Veränderungen und möglicher Einbussen, sondern auch aus Angst vor dem Eintritt in ein Lebensalter, das immer noch ein schlechtes Image hat, und aus Angst vor möglicher Ausgrenzung und vor dem gesellschaftlichem Wertverlust.
Nicht zuletzt spielen auch strukturelle Faktoren eine Rolle bei der alltäglichen Altersdiskriminierung. Viele öffentliche Systeme, etwa im Bereich Wohnen, Mobilität oder digitale Dienstleistungen, sind nicht altersgerecht gestaltet. Ältere und vor allem hochaltrige Menschen (80+) stossen hier auf Barrieren, die ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einschränken – diese Ausschlüsse werden jedoch selten als Diskriminierung erkannt.
Resümee
Die Folgen der gesellschaftlichen negativen Altersbilder sind auf zwei Ebenen gravierend: Zum einen führen diese dazu, dass ältere Menschen diskriminiert und gesellschaftlich ausgeschlossen werden. Zum anderen – und oft übersehen – werden diese gesellschaftlichen Bilder auch auf das eigene Selbst angewandt (Selbststereotypisierung) und führen damit zu negativen Selbstbildern: Ältere Menschen sehen sich selbst dann als wertlos und passiv an und ziehen sich aus Angst vor Ablehnung oder vor Stigmatisierung sozial zurück oder nehmen nicht mehr aktiv an der Gesellschaft teil.
Um Altersdiskriminierung wirksam zu begegnen, braucht es ein Umdenken, weg von eindimensionalen und defizitären Altersbildern und stereotypen Vorstellungen von der Lebensphase Alter, hin zu einer Kultur der Wertschätzung, Teilhabe sowie zu einem Wahrnehmen und Anerkennen der grossen Vielfalt im Alter! Nur so kann eine Gesellschaft entstehen, in der Menschen unabhängig vom Alter respektiert und inkludiert werden.
Prof. Dr. Sabina Misoch
Altersforscherin am Institut am Institut Alter Berner Fachhochschule