Einsamkeit im Alter – einmal andersherum betrachtet
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Mehr Qualität als Quantität ist gefragt.
Viele Studien haben sich in letzter Zeit mit dem Thema «Einsamkeit im Alter» beschäftigt. Generationenübergreifende Projekte stecken noch in den Anfängen.
Im Alter wird das Umfeld oft kleiner, einige Seniorinnen und Senioren sind kinderlos oder ihre Angehörige und Kinder leben weit entfernt. Freunde und Bekannte sind bereits verstorben oder krank. Es wird zunehmend schwer, mit zunehmendem Alter und all den Hindernissen, die damit einhergehen, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.
In diesem Zusammenhang wird auf zahlreiche Angebote hingewiesen, wie ältere Menschen aus ihrer Isolierung herausgerissen werden können, um ihrer Einsamkeit zu entgegnen. Dazu gehören Angebote wie Treffpunkte für gemeinsame Spiele wie Jassen und andere Karten- oder Brettspiele, ferner Bewegungsprogramme, zum Beispiel Qi Gong, Rhythmik oder Feldenkrais, Kurse, zum Beispiel Häkelkurse oder Gedächtnisspiele, Ausflüge mit Freunden oder Gleichgesinnten, Besuch in Seniorenzentren, Lesen oder Vorlesen lassen, gemeinsames Musizieren, die Natur geniessen und weitere Angebote. Nicht alle ältere Menschen können sich solches finanziell leisten, was sie wiederum in eine Form der Einsamkeit treibt. Beinahe kostenlose, regelmässige Zusammenkünfte ermöglichen Treffpunkte, wie sie die Stadt Luzern mit dem «Vicino» anbietet.
An der Quantität von Angeboten für ältere Menschen, die unter ihrer Einsamkeit leiden, fehlt es also nicht. Andersherum ist es notwendig, vermehrt von der Qualität der Zuwendung zu sprechen. Jährlich sind in der Schweiz mehr als 300 000 ältere Menschen von Unverständnis und sogar von Gewalt betroffen.
Das beginnt bei kleinen direkten oder telefonischen Dienstleistungen, wo sich ältere Leute nicht mehr verstanden oder ungeschickt gegängelt fühlen. In Geschäften oder Restaurants, wo sie sie sich nicht selten mit erheblicher Ungeduld und schlechtem Service konfrontiert fühlen. Seniorinnen trauen sich häufig nicht, sich zu wehren und Hilfe bei Institutionen zu beanspruchen. Gewalt ist nie in Ordnung und ältere Menschen können sich seit geraumer Zeit ans das Kompetenzzentrum «Alter ohne Gewalt» oder an die «Opferhilfe Schweiz» wenden.
Nicht nur die Quantität der Angebote für ältere Menschen mit Einsamkeit im Alter ist gefragt und notwendig, sondern auch die Qualität, wie wir überhaupt älteren Menschen begegnen. Emotionale Empathie (echte Zuwendung) ist das Vermögen, die Bedürfnisse einer anderen Person nachzufühlen. Empathie ermöglicht es uns, die Gefühle eines Menschen in uns so weit zu reproduzieren, dass wir sie verstehen. Aus der Neurologie kennen wir die sog. Spiegelneuronen, welche nicht nur beim Einfühlungsvermögen und bei Mitgefühl relevant sind, sondern auch bei Empathie und Sympathie. Dabei spielen auch unsere eigenen Erfahrungen eine Rolle – etwa, wenn wir uns an eine Situation erinnert fühlen, in der wir selbst eine schmerzliche Erfahrung gemacht haben. Emotionale Empathie ähnelt in mancher Hinsicht einem anderen Phänomen: Der Gefühlsansteckung: Dabei hilft das uns, vertrauensvolle und tiefe Verbindungen aufzubauen.
Einfühlendes Verstehen tut Not
Affektiven Empathie, ist über eine Art emotionales Mitschwingen möglich, bei welchem die Gefühle des anderen nachempfunden werden, als wären sie die eigenen. So sind Seniorinnen und Senioren auf den empathischen Kontakt in emotionaler und gedanklicher Hinsicht angewiesen. Ähnlich wie wir das durch die Untersuchungen von René Spitz zum Hospitalismus-Problem erstmals erfahren haben. Fehlende Empathie ruft auch beim älteren Menschen emotionale Deprivationserfahrungen hervor, die einen wesentlichen Einfluss auf die körperliche, psychische und soziale Gesundheit und Entwicklung haben und auch Krankheiten verursachen können, wie die Beschleunigung von Demenz.
Thomas Grünwald, Psychologe, Psychotherapeut
Mitglied Vorstand VASOS