FRAU UND ALTER
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Stimmt es, dass sich Frauen mit dem Älterwerden besonders schwer tun?
Und – wenn ja: Woran kann das liegen? Ist es unsere westliche Kultur, die – ganz anders als etwa die asiatische – den Finger vor allem auf Verlustaspekte legt: etwa auf den Verlust von Autonomie, von gewissen Fähigkeiten aufgrund von Sinneseinschränkungen?
Oder ist es das Leben müssen unter prekären sozioökonomischen Bedingungen, geprägt von Jahre dauernder Einsamkeit? Ist es das Diktat der Mode, die mit dem von Falten geprägten Aussehen des alternden Körpers nichts anzufangen weiss? Liegt es vielleicht an der psychischen Verletzlichkeit und dem mangelnden Selbstwertgefühl mancher Seniorinnen? Tatsächlich hadern ältere Frauen oft mit sich selbst, mit ihrer Art zu leben und mit ihrem Aussehen. Allzu oft verinnerlichen sie negative Stereotypien anderer.
Subjektivität kann eine Stärke, oft aber auch eine Schwäche sein. Vor allem dann, wenn sie Menschen in einer negativen Selbstsicht gefangen hält, die ihre Initiative und ihre Bereitschaft, auf andere zuzugehen, hemmt.
Wäre es nicht besser, sich von solchen Fesseln zu befreien? Das könnte bedeuten, die eigenen Grenzen ohne Schuldgefühle zu akzeptieren, die Hilfe anderer anzunehmen, um weiterhin seine selbstgewählten Ziele zu verfolgen?
Für Platon und Konfuzius heisst altern sein Leben noch einmal zu lesen… Es gilt, die Erinnerung an bestimmte Ereignisse wiederzufinden, an Bindungen und Verpflichtungen, die es uns ermöglicht haben, uns zu verwirklichen, als Paar oder im Kreis einer Familie. Für viele Frauen kann das ein Bezugs- und Ankerpunkt sein.
Ohne der Nostalgie zu verfallen und in der Vergangenheit zu leben kann es hilfreich sein, zum eigenen Lebensweg zu stehen und diesen auch von seinem Umfeld anerkennen zu lassen. Das ist eine Erinnerungsarbeit, die es ermöglicht, das Alter konstruktiv zu betrachten und gleichzeitig Abstand dazu zu gewinnen.
Für die Psychoanalytikerin Geneviève Delaisi heisst alt werden nicht aufgeben, sondern die Lebensleiter weiter emporsteigen. Setzen wir also unsere Auferstehung fort!
Elisabeth Leo-Dupont, Delegierte Fédération Vaudoise des Retraités b. Schweizerischen Seniorenrat