Gegen eine weitere Privilegierung der Wohneigentümer:innen
Ausgabe: 01-2022 Datum: 31.01.2022
Thema: Wohnen im Alter & Mobilität
Der Ständerat will die Hauseigentümer:innen weiter privilegieren, indem der Eigenmietwert völlig abgeschafft werden soll
Das ist unnötig und widerspricht der Verfassung. Hätte die Schweiz ein Verfassungsgericht, würde dieses ein solches Ansinnen vermutlich blockieren.
Der Ständerat hat, wenn auch mit knapper Mehrheit (20:17) beschlossen, die Besteuerung des Eigenmietwertes abzuschaffen. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Die Vorlage kommt noch in den Nationalrat und sollte dieser auch in zustimmendem Sinne entscheiden, wird es sicher eine Volksabstimmung geben. Ein Referendum wäre so gut wie sicher.
Der Eigenmietwert ist mitnichten, wie es von Abschaffungsbefürworter:innen immer wieder behauptet wird, ein fiktives Einkommen. Nein, er ist vielmehr ein reales Naturaleinkommen. Dies wird auch von einer jahrelangen bundesgerichtlichen Rechtsprechung bestätigt. Wenn eine Arbeitnehmer:in von der Arbeitgeberin Logis gratis bekommt, muss er/sie dies selbstverständlich auch als Naturaleinkommen versteuern.
Die Bundesverfassung schreibt vor, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgen muss. Das ist aber bereits heute nicht der Fall. Der Eigenmietwert wird von den Steuerämtern regelmässig zu tief angesetzt. Vorgeschrieben ist nur, dass der Eigenmietwert nicht kleiner als 60% des Marktwertes betragen darf. Sogar die OECD betonte 2015 in ihrem Länderbericht zur Schweiz, dass der steuerbare Eigenmietwert näher beim Marktwert sein sollte. Die Hauseigentümer:innen sind also schon jetzt gegenüber den Mieter:innen privilegiert.
Der Ständerat will nun die Hauseigentümer:innen noch weiter privilegieren, indem der Eigenmietwert völlig abgeschafft werden soll. Das ist unnötig und widerspricht der Verfassung. Hätte die Schweiz ein Verfassungsgericht, würde dieses ein solches Ansinnen vermutlich blockieren.
Die VASOS hat bereits 2019 in der Vernehmlassung zur Vorlage klar Stellung bezogen und die Abschaffung des Eigenmietwertes abgelehnt. Einzig für sehr einkommensschwache Hauseigentümer:innen sollte man eine Lösung suchen. In vielen Kantonen wird jetzt schon bei diesen Leuten der Eigenmietwert reduziert. Ausserdem ist es so, dass bei den Ergänzungsleistungen, das betrifft vor allem die Rentner:innen, das selbstbewohnte Haus nicht zum Vermögen gezählt wird.
Die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung wurde in letzter Zeit bereits 2mal an der Urne abgelehnt. Das Ganze ist eine Zwängerei.
Rolf Schneider, Arbeitsgruppe Sozialpolitik VASOS FARES, Vorstand AVIVO Schweiz