Gespräch mit alt-Nationalrat Heiner Studer, EVP – Evangelische Volkspartei (AG)
Ausgabe: 05-2024 Datum: 21.05.2024
Thema: News
Im Alter parat zu sein und schauen, welche Kraft und Energie man noch hat und was man noch machen kann und was nicht mehr geht, ist eine wichtige Devise von Heiner Studer
Heiner Studer wuchs in Wettingen (AG) auf und begann seine berufliche Laufbahn in einem politischen Umfeld. 1970 wurde er Zentralsekretär der EVP Schweiz, die er dann von 2008 – 2014 präsidierte. 1984 wurde er Sekretär des „Blauen Kreuzes“ der deutschen Schweiz und von 1984 – 2001 dessen Zentralsekretär und Geschäftsführer. Gleichzeitig hatte er auch immer politische Ämter inne. Von 1973 – 1998 gehörte er dem „Grossen Rat“ des Kantons Aargau an. Parallel dazu war er von 1974 – 1985 im Einwohneramt (Legislative) der Gemeinde Wettingen und wurde 1986 in die Exekutive gewählt, wo er von 1994 – 2013 als Vize-Ammann von Wettingen waltete. 1999 wurde er für die EVP in den Nationalrat gewählt, dem er bis 2007 angehörte. Im Nationalrat war er Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur.
Das Vorstandsmitglied der VASOS, Verena Loembe, welche Heiner Studer seit vielen Jahren kennt, hat mit ihm das Gespräch geführt.
Heiner Studer begrüsst bei einem Kaffee Verena Loembe und weist einleitend darauf hin, dass er gesundheitlich leicht angeschlagen ist und noch an den Folgen eines Rückenwirbelbruchs leidet. Die gesundheitlichen Probleme dominieren aber nicht und die Gedanken von Heiner Studer sind frisch.
Der berufliche und politische Übergang nach der Beendigung des Nationalratsmandats verlief für Heiner Studer fliessend. Heiner Studer hatte noch politische Ämter und kirchliche Aufträge und eine Reihe von Präsidien, die er vor 5 Jahren, mit 70 abgegeben, respektive in Verantwortung und Umfang reduziert hat.
Nach seiner Zeit im Nationalrat nimmt Heiner Studer gerne an den „Ehemaligen-Treffen“ teil. Zudem macht er auf Anfrage private Führungen im Bundeshaus. Da Heiner Studer auch die norwegische Sprache beherrscht, kann er auch Führungen für die Norwegische Botschaft machen und ihnen den Unterschied zwischen dem Schweizerischen und dem Norwegischen politischen System erklären.
Heiner Studer nimmt auch immer noch an den Delegiertenversammlungen und an Festen der EVP teil. Als seine Tochter Lilian Studer 2019 in den Nationalrat gewählt wurde und 2021 als Präsidentin der EVP amtet, hat er sich etwas zurückgenommen. Leider wurde Lilian Studer 2023 nicht mehr wieder gewählt.
Die politischen Themen stehen immer noch im Mittelpunkt von Heiner Studer. Er verfolgt die Themen hautnah und wäre immer noch in der Lage Kolumnen für Zeitungen zu schreiben, was er lange Zeit gemacht hat. Er verfolgt z.B: das Wirken von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP) seit ihrer Wahl und ebenso das Wirken von Bundesrat Alfred Rösti (SVP) und ist von beiden beeindruckt.
Heiner Studer ist seit 1980 Laienprediger, was im Kanton Aargau ein offiziell anerkanntes Amt ist und macht in dieser Funktion Stellvertretungen. Diese Funktion darf er im Kanton Aargau so lange ausüben wie er will, d.h. es gibt keine Alterslimite. Als Laienprediger darf er auch Vermählungen, Taufen und Beerdigungen machen. Solche Aufgaben übernimmt Heiner Studer sehr gerne, da es immer zu guten generationenübergreifenden Gesprächen und Begegnungen kommt.
Heiner Studer arbeitet gerne mit politisch interessierten jungen Leuten zusammen, welche den Glauben in irgendeiner Form umsetzen möchten. Eine gute Kombination, um mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen findet er im „Walk and Talk“ – miteinander wandern und reden.
In jüngeren Jahren hat er oft seine, heute 19 Jahre alte Enkelin gehütet. Weitere Enkel wohnen in Norwegen, aber auch mit diesen finden regelmässige Treffen statt.
Was Heiner Studer auch am Herzen liegt, ist der ganze Asylbereich. Zusammen mit seiner Frau Marit, einer gebürtigen Norwegerin und weiteren Personen haben sie in einem „Treff“ AsylbewerberInnen mitgewirkt. Mit diesen meistens jungen Leuten hat Heiner Studer viele Wanderungen unternommen. Den Vorteil sah er darin, dass man nebeneinandergehen konnte, aber nicht immer reden musste und so trotzdem eine Beziehung erstand. Viele junge Asylbewerber mit orthodoxem Hintergrund konnte er an das Grab seiner Eltern führen. Der Respekt dieser Leute vor dem Alter und der Respekt zu den älteren Leuten sind beeindruckend. Seine Frau als Lehrerin, die sehr mathematisch denkt war für die Leute aus dem Asylbereich eine ideale Besetzung.
Im Alter parat zu sein und schauen, welche Kraft und Energie man noch hat und was man noch machen kann und was nicht mehr geht, ist eine wichtige Devise von Heiner Studer. In einer Phase, wo die Gesundheit Probleme macht, hat er ein Ja für das Leben, was Gott ihm geschenkt hat. Vorwärtszuschauen und auch aus dem, was nicht mehr geht, das Beste zu machen, nichts zu erzwingen, ist für Heiner Studer wichtig. Man sollte nicht versuchen, in einem Bereich, wo man keine Gabe hat etwas zu erzwingen. Etwas Sinnvolles zu machen, scheint Heiner Studer viel wichtiger zu sein. Die Schwiegermutter von Heiner Studer wurde 97 Jahr alt und hat bis ans Ende ihres Lebens Entscheidungen selber getroffen. Seine Enkelin hat ihre Urgrossmutter erlebt, bis sie 21 Jahre alt war. Das war für beide ein riesiges Geschenk und nicht selbstverständlich.
Als er 2016 einen Herzinfarkt erlitt, den er wie durch ein Wunder überlebte, hat sich Heiner Studer einige Grundsatzüberlegungen gemacht: Gibt es noch etwas was man unbedingt noch erlebt haben muss? Die Antwort war NEIN – Nehmen was kommt und das machen, was man noch kann. In dieser Zeit erhielten Heiner Studer und seine Frau eine Einladung zur Hochzeit von seiner Nichte, die sich in Israel mit einem Palästinenser vermählte. Diese Reise stuft er als sehr interessant und schön ein, auch mit Blick, dass man so ein Fest mit den Einheimischen Leuten erleben durfte.
Wenn es ihm gesundheitlich wieder besser geht, will Heiner Studer auch wieder mit dem GA reisen, das er seit er 20 Jahre alt ist, besitzt. Auf Reisen Sehenswürdigkeiten mit Begegnungen zu kombinieren, ist etwas Wunderbares.
Was Heiner Studer mit Blick auf die älteren Leute Mühe bereitet ist, dass viele Leute ihm zu verstehen geben, dass sie einsam sind und keine Kontakte haben. Wären nicht viele von diesen Leuten in der Lage Kontakte mit Nachbarn zu knüpfen, mit ihnen zu reden, die/den Nachbar zu einem Tee einzuladen? Einsame Leute dürfen nicht erwarten, dass die anderen den ersten Schritt machen. Den ersten Schritt muss ICH machen.
Die Politik hat in der Alterspolitik noch einige Aufgaben zu erledigen. Es braucht Massnahmen, dass die Leute so lange wie möglich unabhängig wohnen, und so lange wie möglich Entscheidungen selber treffen können. Wohnungen, Plätze, Bahnhöfe sollten sowohl alterstauglich wie auch behindertengerecht gestaltet sein. Es ist aber auch so, dass die Betroffenen Leute laut sagen sollten, was sie brauchen.
Die Inklusions-Initiative kommt zur rechten Zeit und verdient es unterstützt zu werden. Auch die Politik sollte in der Inklusionsfrage aktiver werden. Öffentliche Gebäude müssen behindertengerecht sein und zwar nicht erst, wenn zum ersten Mal eine behinderte Person das Gebäude betritt, sondern vorsorgend. Heiner Studer wertet es als positiv, dass im Parlament behinderte Personen aus verschiedenen Parteien sitzen und sich vielleicht die Situation für die Behinderten so verbessert.
Heiner Studer beendet das Gespräch mit einer lokalen „Pointe“: Nachdem es sich In seiner Wohngemeinde Wettingen als schwierig erwies, junge Frauen mit Kinder, Familie und Beruf für einen Einstieg in die Politik zu motivieren, kandidierte eine 68-jährige Frau und wurde gewählt.
Verena Loembe dankt Heiner Studer ganz herzlich für dieses anregende Gespräch und wünscht ihm alles Gute.
Verena Loembe, Mitglied Vorstand VASOS