Organspende: Zur Änderung des Transplantationsgesetzes
Ausgabe: 03-2022 Datum: 31.03.2022
Thema: Gesundheit
VASOS sagt Nein zur Widerspruchslösung, denn nur ein Ja ist ein Ja
Eine Organentnahme muss eine Spende bleiben und das Recht auf ein Organ darf nicht zur Normalität werden. Das ist für Spender und Empfänger wichtig.
Bundesrat und Parlament haben einer Änderung des Transplantationsgesetztes von der heutigen Zustimmungslösung hin zur erweiterten Widerspruchslösung zugestimmt. Dazu wurde das Referendum ergriffen, insbesondere mit dem Ziel, dass diese einschneidende Gesetzesänderung dem Volk vorgelegt wird und eine echte Debatte darüber möglich wird. Die Diskussion wurde in der VASOS geführt. Es kamen sowohl Befürworter als auch Gegner der Widerspruchslösung zu Wort.
Für die Gesetzesänderung äussert sich als Vertreter der AVIVO Raymond Durussel wie folgt:
“Angesichts des Mangels an Organen für Transplantationen will ein Gesetzesentwurf das Zustimmungsmodell in der Schweiz reformieren, damit jede Person als Spenderin oder Spender gilt. Das derzeitige Modell der postmortalen Organspende erfordert eine ausdrückliche Zustimmung: Als Spender gelten Personen, die zu Lebzeiten ihr Einverständnis erklärt haben, und die Angehörigen werden systematisch um ihre Meinung gebeten. Dieser restriktive Ansatz verschärft den seit langem bestehenden Mangel an Spenderorganen im Land. Jede Woche sterben durchschnittlich zwei Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein Organ erhalten haben. Angesichts dieser Situation ist die AVIVO der Ansicht, dass das vorgeschlagene neue Modell angenommen werden muss.”
Der VASOS-Vorstand ist jedoch mehrheitlich gegen die Gesetzesänderung. Elsbeth Wandeler fasst die Hauptargumente in drei Schwerpunkten wie folgt zusammen:
- Staatspolitische und gesellschaftliche Aspekte
Das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung über den Tod hinaus ist ein Grundrecht jedes Menschen. Es ist Aufgabe des Staates, Grundrechte zu schützen. Ein Grundrecht sollte nicht explizit eingefordert werden müssen. Die Widerspruchslösung bei der Organspende verletzt den Schutz dieses Grundrechts, respektive die Integrität des Menschen über seinen Tod hinaus.Bei der vorgesehenen Widerspruchslösung wird davon ausgegangen, dass der Mensch grundsätzlich bereit ist, seine Organe der Medizin zur Verfügung zu stellen. Jeder wird so zum Organlieferanten, sofern er dies nicht ausdrücklich ablehnt. Ein bewusster freiwilliger Entscheid fehlt, von einer Spende kann also nicht die Rede sein. Die Widerspruchsregelung wird unweigerlich dazu führen, dass Menschen gegen ihren Willen Organe entnommen werden, weil sie zu Lebzeiten nicht wussten oder nicht in der Lage waren, ihren Widerspruch zu hinterlegen. Gerade sozial schwache und schlecht integrierte Menschen brauchen den Schutz der Rechtsordnung. Sonst werden diese Menschen zu Organlieferanten, ohne davon zu wissen oder sich dagegen wehren zu können.Die Widerspruchslösung steht auch im Widerspruch zur Rechtsanwendung im Gesundheits-wesen. Heute braucht es bei jeder medizinischen und therapeutischen Massnahme die Einwilligung der Patienten. Auch für eine Obduktion eines Verstorbenen braucht es die Einwilligung der Hinterbliebenen. Nur ein Ja ist ein Ja. Keine Aussage zu machen, darf nie als ein JA ausgelegt werden.
- Die Umsetzungsproblematik
Um sicher zu stellen, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, Widerspruch einzulegen, müssen über 7 Mio. Menschen umfassend über das Prozedere der Organentnahme informiert werden, damit sie in der Lage sind, die Bedeutung und Konsequenzen einer Widerspruchslösung zu beurteilen. Viele Menschen wissen nicht, dass Organe an einem lebenden Körper entnommen werden müssen, d.h. während des Sterbeprozesses. Ein hirntoter Mensch ist nur juristisch tot. Für die Angehörigen lebt er noch. Diese Tatsache erklärt, weshalb sich viele Menschen mit der Organspende schwer tun. Zudem führt dieser Sachverhalt zu schwierigen emotionalen Situationen bei den Angehörigen. Im Zweifelsfall können die Angehörigen die Organentnahme verhindern, müssen dies jedoch glaubhaft begründen. Dieser Umstand macht die Situation für die Angehörigen keinesfalls einfacher. - Erreichen wir die gesetzten Ziele?
Das Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich ging im Auftrag des Bundes der Frage nach, welche Auswirkung die Widerspruchslösung auf die Zahl der Spenderorgane haben wird. Es wurden 314 Studien ausgewertet und die Analyse ergab keine klare Evidenz für eine Zunahme von Spenderorganen.Ein ähnliches Resultat zeigt auch der Ländervergleich der Berner Politikberatung «Vatter». Zitat: «Mit Blick auf die Entwicklung der Spenderrate über die Zeit, scheint das Modell der Widerspruchslösung nicht entscheidend zu sein.» Es ist nachvollziehbar. warum die Wirkung begrenzt ist, da nicht alle Patienten als Spender in Frage kommen, weil die Organentnahme am lebenden Körper erfolgen muss. Daran ändert auch die Widerspruchslösung nichts.Nicht zuletzt deshalb empfiehlt auch die Nationale Ethikkommission die heutige Rechtsgrundlage nicht zu ändern.
Diese Argumente überzeugten eine Mehrheit in der VASOS. Wir dürfen uns nicht von der heutigen Zustimmungslösung verabschieden. Der menschliche Körper darf nicht zum Ersatzteillager werden. Die Organspende muss ein freiwilliges Geschenk bleiben.
Elsbeth Wandeler, Präsidentin Arbeitsgruppe Gesundheit VASOS FARES