SALUTOGENESE FÜR PENSIONIERTE
Thema: Gesundheit
Psychische Salutogenese
Bis anhin kamen vor allem körperliche Aspekte der Gesundheit zur Sprache, doch wir erfuhren bereits da und dort, dass Gefühle, wie z.B. Stress, einen starken Einfluss auf die körperlichen Funktionen hat – und umgekehrt, wie beispielsweise bei chronischem Schmerz. «Mens sana in corpore sano” sagten zu recht bereits die Griechen der Antike. Deshalb handelt die jetzige Folge der Gesundheitsvorsorge von der Psyche.
Wir Menschen sind grundsätzlich, wie die Tiere, den drei Trieben Überleben, Fortpflanzung und Brutpflege unterworfen. Als soziale Lebenswesen müssen wir uns mit unseren Mitmenschen auseinandersetzen d.h. Konflikte lösen, sowohl gesellschaftlich mittels politischer Auseinandersetzungen aber auch individuell, was nicht immer stressfrei ist. Allein Leben verhindert letzteres, führt aber oft zu Vereinsamung und ist zu vermeiden!
Stress ist eine sehr häufige Folge von Konflikten. Er signalisiert uns unter anderem Gefahr und führt zu folgenden vier körperlichen Reaktionen: Der Blutdruck steigt, um das Blut besser auch in die kleinsten Adern zu pumpen, und das mit höherer Herzfrequenz, 80 statt 60 Mal pro Minute. Die Atmung wird unbewusst schneller für mehr Sauerstoff; in extremis hyperventilieren wir. Die Körpertemperatur steigt, um die chemischen Prozesse zur Energiebereitstellung zu beschleunigen, wir schwitzen. Die Stressreaktion dient für eine höhere Leistungsbereitschaft. Diese Reaktionen werden vom Hirn ausgelöst und via Hormone (u.a. Adrenalin) vermittelt. Für einen hohen Blutdruck gibts übrigens wenig andere Gründe als Stress! Die Frage ist jeweils nur warum. Gegen Stress hilft, abgesehen von der Konfliktlösung, ein ganzes Spektrum von Entspannungsübungen wie Yoga, sowie pflanzlich Beruhigungsmittel und natürlich auch Psychotherapie (gegen hohen Blutdruck)!
Andauernde Stresssituationen, wie Armut, Gewalterlebnisse, Verlustsituationen, Zukunftssorgen usw. können zu Depressionen führen. Das wichtigste Symptom von Depressionen sind (Durch-)Schlafstörungen. Wenn man an mehr als 4 Nächten pro Woche nach 4-5 Stunden Schlaf erwacht und dann stundenlang nicht mehr einschlafen kann, ist das sehr typisch für Depressionen. Die Folgen sind unweigerlich Tagesmüdigkeit, Lustlosigkeit, Adynamie. Depressive sind neben der Trauer auch öfters schreckhaft, ängstlich. Ängstliche reagieren nicht selten mit Aggressionen, quasi als Schutz vor Angriffen –bei den Hunden sprechen wir von Angstkläffer! Abgesehen von Armutsbekämpfung (13. AHV-Rente!) ist eine Psychotherapie dringend empfohlen. Medikamentös helfen einzig Antidepressiva, chemische oder auch das einzige Pflanzliche: Johanniskraut. Erst nach 2-3 Wochen bessern alle beschriebenen Symptome. Fragt in eurer Hausarztpraxis. Gegen Depressionen helfen weder Alkohol noch pflanzliche (z.B. Baldrian) oder chemische (Tranquilizer) Beruhigungsmittel; sie machen nur müde, verstärken tagsüber die Adynamie und erhöhen die Sturzgefahr.
Eines der Depressionszeichen kommt sehr häufig auch isoliert vor: Die Angst. Von den irrationalen Erkrankungsängsten (Hypochonder) bis zu den Bestehlungsängsten von Pensionierten (Bestehlungwahn) sind die Erscheinungsformen sehr verschieden vermindern aber allesamt die Lebensqualität. Auf ein Ereignis bezogen nennen wir die Angst Phobie, z.B. Claustrophobie (Enge), Agoraphobie (Menschenmengen), Nyctophobie (Dunkelheit), Spinnenphobie usw. Phobien sind mit psychologischen Verhaltenstherapien behandelbar, bei wahnhaften Ängsten brauchts meistens ein Neurolepticum. Übrigens: Wenn jemand sagt, er/sie habe Angst, ist die Antwort «Du musst doch keine Angst haben» unsinnig und demütigend – wie wenn die Person die Angst abstellen könnte! Die gesellschaftliche Tabuisierung ist der Grund, warum die Angst oft verdrängt wird und sich in körperlichen Symptomen wie Rückenweh oder Migränen etc. äussert – niemand sagt: «Du musst doch keine Migräne haben!»
Eine altersspezifische Hirnerkrankung mit psychischen Folgen ist die gefürchtete Demenz. Sogenannte kognitive Fähigkeiten (Erinnerung, Wortfindung, Orientierung etc.) fallen innert Jahren immer mehr aus. Dies kann verständlicherweise Depressionen hervorrufen, die sich oft – mangels Verständigungsmöglichkeiten! – in aggressivem Verhalten äussern und medikamentös behandelbar sind. Die Wirkung von pflanzlichen (Gingko) und synthetischen Demenzmedikamenten ist äusserst dürftig. Lässt sich Demenz verhindern? Die Wissenschaft nennt über ein Dutzend Faktoren die zusammen fast 50 % des Demenzrisikos ausmachen https://www.swisshealthweb.ch/de/article/doi/saez.2024.1582616051/ .
Salutogenetisch aus psychischer Sicht wichtig ist – wie bei allen Krankheiten! – die existentielle Sicherheit, dafür kämpfen wir politisch in der AVIVO, den Gewerkschaften und Parteien. Unverarbeitete Verletzungen (Traumata) mit Folgen für die psychische Gesundheit (Angst, Depressionen, hoher Blutdruck) können und sollen auch von Pensionierten psychotherapeutisch oder mittels Entspannungstechniken (Hypertonie) behandelt werden. Generell ist es sehr wichtig, sich täglich mit Leuten zu treffen zum Diskutieren, Spielen, Wandern, Streiten etc., kurz: die Alterseinsamkeit verhindern.
David Winizki, Hausarzt
VASOS / AVIVO