Vernehmlassung BG Arbeit und Pflege
Thema: Sozialpolitik
Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege
Eidgenössisches Departement
des Innern (EDI)
3003 Bern
Per E-Mail an:
proches.aidants@bag.admin.ch
Winterthur, den 10.11.2018
Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit
von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege
Sehr geehrter Herr Bundespräsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Die VASOS (Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfeorganisationen der Schweiz) begrüsst die Anstrengungen des Bundesrates zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und
Angehörigenpflege. Gerne nehmen wir zum vorliegenden Entwurf Stellung.
Allgemein
Die VASOS stimmt den vorgeschlagenen Bestimmungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von
Erwerbstätigkeit und Angehörigen im Grundsatz zu, hätten uns aber weitergehende Massnahmen
gewünscht
Betreuungsabwesenheit
Bereits im Jahre 2015 hat der Bundesrat erkannt, wie wichtig pflegende und betreuende
Angehörige für das Schweizer Gesundheitswesen sind. Er hat einen «Aktionsplan zur
Unterstützung von betreuenden und pflegenden Angehörigen» lanciert. Der Grundtenor
dabei: «Wenn Erwerbstätige ihr Arbeitspensum vorübergehend reduzieren oder eine Auszeit
nehmen wollen, sollte dies ermöglicht werden, ohne dass sie dadurch ihre wirtschaftliche
Grundlage oder ihre Laufbahn gefährden».
Grundsätzliches
Erhebungen zeigen, dass schätzungsweise 237’000 Personen in der Schweiz regelmässig
Angehörige pflegen oder betreuen und gleichzeitig erwerbstätig sind. Der Wert dieser Arbeit
beträgt geschätzte 4.5 Milliarden Franken – ein Wert, der durch das Gesundheitssystem nicht
(einfach) erbracht werden kann.
Betreuende oder pflegende Angehörige nehmen mit ihrer Aufgabe oftmals eine unglaubliche
Belastung auf sich, sind solche Leistungen doch an 7 Tagen/Woche während 24 Stunden an
365 Tagen zu erbringen. Denn wenn sich ein Unfall eines Kindes zu einer bleibenden
Behinderung entwickelt oder wenn ältere Angehörige z.B. nach einem Schlaganfall
betreuungsbedürftig werden, wird die Koordination zwischen Betreuung und Begleitung der
Angehörigen und Erwerbstätigkeit ein Balanceakt, der oft in der totalen Erschöpfung der
Betreuenden und Pflegenden enden kann. Oder dann bis zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit
führen kann.
Urlaubsgewährung und Betreuungsentschädigung
Die Vorlage bringt mit der nun vorgesehenen Einführung eines Urlaubes mit
Betreuungsentschädigung von maximal 14 Wochen innerhalb der Rahmenfrist von 18 Monaten eine
gewisse Linderung bei den genannten Beispielen wie Unfällen von zu betreuenden Kindern.
Ungelöst ist nach wie vor die Problematik, wenn sich die Betreuung auch nach der
genannten Frist weiterzieht, das heisst, wenn die Unfallfolgen eine längerdauernde
Begleitung und Betreuung verlangen und diese sinnvollerweise weiterhin im ambulanten
Bereich erbracht wird.
Eine grosse Verbesserung bringt die Vorlage im gesetzlichen Bereich. So soll die
Lohnfortzahlung vereinheitlicht und verbessert werden. Die Freistellung soll neu neben der
Pflege und Betreuung für die Kinder auch für jene von Ehepartner/in, eingetragene
Partnerschaften, faktische Partnerschaften, bei direkten Verwandten (Elternteile oder
Geschwister) und nahestehenden Personen ausgeweitet und immer mit Lohnfortzahlung
gewährt werden.
Betreuungsgutschriften bei der AHV
Momentan erhalten betreuende Personen eine Betreuungsgutschrift, wenn sie Angehörige in
auf- oder absteigender Linie betreuen, die eine mittlere bis schwere Hilflosigkeit
zugesprochen haben. Neu soll der Anspruch bereits entstehen, wenn die gepflegten und
betreuten Personen bereits eine leichte Hilflosigkeit zugesprochen erhalten haben. Als leichte
Hilflosigkeit gilt, wenn die Person bei zwei alltäglichen Verrichtungen (An- und Auskleiden,
Aufstehen, Absitzen, Abliegen, Essen, Körperpflege, Verrichten der Notdurft usw.) auf Hilfe
angewiesen ist.
Die Betreuungsgutschrift basiert auf einem fiktiven AHV-Einkommen von heute 42’300.00
Franken. Die Betreuungsgutschriften führten bei gut 3’500 Personen im Schnitt zu einer
Rentenerhöhung von Fr. 40.00 im Monat (2016).
Fazit
- Die Vorlage bringt mit der einheitlichen Regelung der Urlaubsgewährung wie der
Entschädigung grundsätzlich eine Erleichterung und eine Rechtssicherheit. Allerdings
ist dies auf einen relativ kurzen Zeitabschnitt ausgerichtet, wenn sich die Betreuung
im Falle einer aus einem Unfall stammenden ständigen Behinderung hinzieht. - Die Vorlage bringt zudem eine marginale Verbesserung der Betreuungsgutschriften
bei AHV.
Somit bringt die Vorlage dringend notwendige Verbesserungen, die allerdings angesichts des
Pflegenotstandes nur ein Tropfen auf einen heissen Stein darstellen. Von der Betreuungsentschädigung profitieren ausschliesslich Erwerbstätige. Und die Ausweitung bei den
Betreuungsgutschriften AHV trifft relativ wenig Personen.
Die Vorlage ist ein guter Anfang, den wir begrüssen, die aber das immer dringend
werdende Problem der Betreuung von Angehörigen (vor allem älteren Menschen),
die an chronischen und unheilbaren Krankheiten (z.B. Alzheimer, Krebs und
Parkinson) leiden, nicht löst.
Die Hauptlast der Betreuung, Begleitung wie Pflege hilfebedürftiger Angehöriger
wird weiterhin bei der freiwilligen Gratisarbeit liegen. Dies ist unbefriedigend und
verlangt nach einer Lösung.
Co-Präsidium VASOS
Bea Heim Jacques Morel
i.V.
Bea Heim, NR Jacques Morel
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