Wir wissen, wovon wir reden!
Datum: 30.09.2022
Thema: Gesundheit, News, Sozialpolitik
Die VASOS zum 1. Oktober - dem internationalen Tag der älteren Menschen
Sollen sich die Alten aus dem aktiven Leben zurückziehen, brav konsumieren, Steuern zahlen und darauf bedacht sein der Gesellschaft möglichst wenig zur Last zu fallen? – Viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen erwarten das von uns Älteren. Vor allem die Alterspolitik sollen wir den Jüngeren überlassen.
Wohin das führen kann, ist mir bewusst geworden, als ich kürzlich die Wohnung meiner verstorbenen Tante räumen musste. In einem Schrank waren hunderte von Medikamenten verstaut. Ich hatte keine Ahnung davon, was die alte Frau alles täglich verschluckt hat. Erst jetzt verstand ich die sarkastische Bemerkung einer Pharmakologin, dass man bei Patienten, die gleichzeitig mehr als fünf Medikamente einnehmen müssten, nur noch die Nebenwirkungen behandle.
Eine neueste Studie von Max Giger, Markus Anliker und Guido Barteff über Polymedikation im Alter besagt, dass in Schweizer Pflegeheimen fast der Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner neun oder mehr verschiedene Arzneimittel verschrieben werden. Als besonders heikel gelten die sog. Neuroleptika, welche das vegetative Nervensystem beeinflussen, die motorische Aktivität hemmen sowie Erregung und Aggressivität dämpfen. Die Folgen sind erhöhte Sturzgefährdung, Anfälligkeit für Schlaganfälle und andere lebensbedrohliche Effekte. Es bestehe dringender Verdacht, so die Studie, dass diese Medikamente nicht selten mit fraglicher Indikation verabreicht würden, was den KVG-Grundsatz von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) widerspricht.
Wäre es – auch angesichts der Kostenexplosion im Gesundheitswesen – nicht höchste Zeit auch die Übermedikation in der Alterspflege zu untersuchen, deren jährliche Kosten in die Milliarden gehen? Wenn nur schon nur ein paar hundert Millionen Franken pro Jahr damit eingespart würden, wäre dies ein Gewinn für die Prämienzahlenden. Vor allem aber auch für die betroffenen Seniorinnen und Senioren. Sie hätten ein Stück Lebensqualität wieder zurückgewonnen.
Statt immer die Alterung der Gesellschaft als Ursache des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen anzuprangern, wäre es doch nun wirklich mehr als an der Zeit, die Polymedikation in der Alterspflege zu hinterfragen. Das fordert die Vereinigung aktiver Seniorenorganisationen Schweiz VASOS.
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Bea Heim Co-Präsidentin VASOS