Als Gast in einer muslimischen Familie in Luxor
Thema: Generationendialog, News
Thomas Grünwald, Vorstand VASOS, berichtet über den Generationendialog in Ägypten
Ich hatte die Gelegenheit, die Gastfreundschaft einer mir bekannten Grossfamilie in Luxor (Oberägypten) zu geniessen. Und auch das Zusammenleben von Jung und Alt mitzuerleben In muslimischen Familien leben traditionell mehrere Generationen zusammen unter einem Dach. Dies um sich gegenseitig zu unterstütze Meine Beobachtungen galten dem Generationendialog, dem Umgang mit der älteren Generation, wie sie bei muslimischen Familien typisch ist.
Während zwölf Tagen bot sich mir die Gelegenheit, eine mir bereits bekannte Grossfamilie in Luxor (Oberägypten) zu besuchen und ihre Gastfreundschaft zu geniessen. Dadurch war es mir möglich, den Alltagsrythmus und das Zusammenleben zwischen Jung und Alt mitzuerleben. Es fiel mir auf, wie von allen Mitgliedern dieser Familie ein grosses Mass an Respekt und Geduld gefordert war. Da TV und weitere Medien wie z.B. die sozialen Medien eine viel geringere Rolle als bei uns spielen, konzentrierte sich das Zusammenleben der einzelnen Familienmitglieder häufig auf lockere Gespräche und gelegentlich auch auf ernsthaftere Diskussionen. Kinder und Jugendliche waren häufig beschäftigt mit Lernen, Privatunterricht und lockerem Spielen im Freien.
Meine Beobachtungen galten jedoch in erster Linie dem Generationendialog, dem Umgang mit der älteren Generation, wie sie bei muslimischen Familien typisch ist. Da sich im Haus sämtliche Generationen aufhielten, angefangen bei den Grosseltern (Hamdi und Semab), ihren Söhnen, Schwiegertöchtern und Kindern, war ein reger Austausch zu beobachten. Zwei Töchter sind bereits verheiratet und leben mit ihrem Ehemann in ihren angeheirateten Familien. Die Schlüsselfunktion in der Familie lag unbestritten bei Hamdi und Semab, die zusammen mit ihrem ältesten Sohn Mohammed das Geschehen im Haus bestimmten.
Es fiel mir ebenfalls auf, dass in einer muslimischen Familie viel von der älteren Generation erwartet wird, nämlich im Sinne einer moralischen Instanz. Gleichzeitig war spürbar, dass ihnen hoher Respekt zuteilwurde – und Kinder wie Enkelkinder in der Pflicht erzogen werden, sich später einmal um die ältere Generation zu kümmern. Alte Menschen werden im Islam sehr respektiert – wegen ihrer Lebenserfahrung, die sie mitbringen.
Meine Gastfamilie gehört zur ägyptischen, unteren Mittelschicht. Sie leben alle zusammen in einem Haus, welches sie sich im Laufe der Jahre selbst erarbeitet haben. Familie, Haus und laufende Einkünfte bilden die Altersrente der Grosselterngeneration. Renten erhalten nur die Beamten, die beim Staat angestellt waren. Der Islam fordert aber nicht nur die Alten heraus, sondern auch ihre Kinder. In einer Überlieferung Mohammeds heißt es:
«Wehe dem, der seine Eltern bei hohem Alter bei sich hat und es trotzdem nicht schafft, sie zufriedenzustellen.»
Solche Überlieferungen haben dazu geführt, dass in muslimischen Familien traditionell mehrere Generationen unter einem Dach leben, um sich gegenseitig zu unterstützen. Eine Unterbringung älterer Menschen in Institutionen ist bisher nur ansatzweise vorgesehen und kommt zum Teil nur in grösseren Städten zustande.
Thomas Grünwald, Mitglied Vorstand VASOS