Die Alten: Arm und krank – oder fit und aktiv?
Ausgabe: 06-2023 Datum: 29.06.2023
Thema: News
Gastbeitrag von Walter Langenegger, Bern
Welches Bild haben wir von den über 65-jährigen in der Schweiz?
Ein Blick in Medien und Internet zeigt: Unsere Wahrnehmung ist von polarisierten Altersbilder geprägt: Ältere Menschen gelten entweder als arm und krank – oder als fit und aktiv. Diese Stereotypen hängen meist davon ab, ob die ältere Generation in der Politik als Kostenfaktor oder in der Werbung als Kundschaft thematisiert wird.
Früher genoss das Alter gesellschaftliche Wertschätzung. Ältere Menschen wurden für ihre Lebenserfahrung, ihr Wissen und ihre Weisheit respektiert. Man begegnete ihnen mit Achtung, und ihr Wort hatte Gewicht.
Diese Wertschätzung besteht immer noch. Aber sie wird stark von schematischen Altersbildern überlagert. “Vorherrschend sind idealisierte Bilder des ‘ewig jungen Alters’ und negativ besetzte Bilder des ‘hinfälligen Alters'”, schreibt Simon Matz von “Stämpfli Kommunikation”. Dabei handle es sich um “polarisierte Altersbilder”, die auf positiven beziehungsweise negativen Extremen aufbauten.
Gemischt positiv-negativ
Dieser Befund wird durch wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt. Die deutsche Medienwissenschaftlerin Caja Thimm etwa spricht von sich widersprechenden Stereotypisierungen: Die eine zeichnet das Bild des sozial isolierten und armen alten Menschen; die andere das Bild einer mobilen, sozial integrierten und aktiven älteren Generation.
In die gleiche Richtung geht eine vor rund 20 Jahren veröffentlichte Nationalfondstudie zum Thema Altersbilder. Sie beschreibt das gesellschaftliche Bild des Alters als “gemischt negativ-positiv”. Zu den negativ empfundenen Aspekten gehört laut Studie der demografische Wandel und die damit verbundenen finanziellen Folgen. Positiv bewertet wird demgegenüber die längere Lebenserwartung. Diese wird sowohl in persönlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht als Bereicherung angesehen.
Altersbilder vom Kontext abhängig
Die sich widersprechenden Stereotypen haben nicht zuletzt damit zu tun, in welchem Kontext ältere Menschen thematisiert werden. Ein Blick in die Medien und ins Internet verdeutlicht dies: Ältere Menschen werden in der politischen Debatte oft negativ als Kostenfaktor dargestellt. In der Werbung hingegen wird das positive Bild vom „junggebliebenen Alten“ gezeichnet.
In Bezug auf die Politik lässt sich dies derzeit vor allem in Sachen Altersvorsorge beobachten. Während die Bürgerlichen das Bild der „viel zu vielen Rentnerinnen und Rentner” malen, die den Jungen auf der Tasche liegen, warnt die Linke davor, dass ein Rentenabbau viele alte Menschen in existenzielle Schwierigkeiten bringt. Beides führt selbstredend zu einer negativen Problematisierung des Altseins.
Anders verhält es sich in der kommerziellen Werbung von Branchen wie etwa dem Tourismus oder der Vermögensberatung: Hier wird die ältere Generation in „cool-lässiger, übersteigerter Vitalität“ (Simon Matz) dargestellt. Angesprochen werden sollen damit vor allem die Baby-Boomer, die nun in Rente gehen und über Kaufkraft verfügen. Sie werden als Markt immer wichtiger. Und darum kreiert die Werbung laut der Medienwissenschafterin Caja Thimm auch gezielt positive Bilder über die ältere Generation.
Ältere Generation medial wenig präsent
Das ändert insgesamt aber wenig daran, dass die ältere Generation in den Medien und im Internet zwar zunehmend Interesse findet, aber in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor wenig präsent ist. Vorläufig bleiben die älteren Menschen ein Thema, mit dem sich vorrangig Fachleute aus Politik, Forschung und Interessensverbänden beschäftigen.
Was dabei zu kurz kommt, ist die mediale Berichterstattung über das ganz normale Älterwerden. Dieses dürfte um einiges differenzierter und facettenreicher sein, als es uns die Stereotypen nahelegen.
Walter Langenegger, Juni 2023, Bern